Stadthaus Paderborn
Leitidee & Entwurfskonzeptes
Die Stadt Paderborn hat sich mit dem Projekt Abdinghof bewusst dazu entschieden, einen Ort der persönlichen Begegnungzu schaffen. Persönliche Begegnung der Bürger untereinander sowie persönliche Begegnung zwischen Bürgern und Mitarbeitern der Stadtverwaltung Paderborn. Dazu bietet die Bandbreite der Einrichtungen und Angebote, die in dem neuen Haus gebündelt werden sollen, ideale Voraussetzungen.
Mit unserem Entwurf versuchen wir für dieses Konzept den optimalen Ort zu schaffen, indem wir sämtliche Rahmenbedingungen wie städtebauliche Dichte, Topographie, und die Reichhaltigkeit des Programms, in einem zentralen Innenraum zusammenführen. Dieser sich über drei Geschosse entwickelnde öffentliche Innenraum, bietet den unterschiedlichen städtischen Angeboten optimale Bedingungen für das Tagesgeschäft. Dabei wird dem Besucher durch mannigfaltige Blick- und Wegebeziehungen, quasi beiläufig, ein Überblick über die weiteren Aktivitäten einzelner Protagonisten der Stadtgesellschaft gewährt. (siehe hierzu die skizzenhaften perspektivischen Darstellungen).
Im Außenraum geben wir dem Haus eine starke Identität als öffentliches Gebäude am Marienplatz. Durch die aus dem umgebenden Stadtraum und der markanten Topographie abgeleitete Gliederung des Volumens entsteht eine klassische Baukörperfigur, die bewusst eine Beziehung zum historischen Rathaus herstellt.
Städtebauliche Einbindung
Durch die Staffelung des Bauvolumens in der Höhe und in der Tiefe, wird die vorherrschende städtebauliche Korngröße der Paderborner Innenstadt aufgenommen. Zu den angrenzenden Gebäuden am Marienplatz sowie zum Bestand der Stadtverwaltung am Abdinghof, entstehen angemessene Übergänge, die auf Traufhöhen und Straßenprofile eingehen.
Vorherrschendes städtebauliches, als auch freiraumplanerisches Motiv, ist der landschaftliche Umgang mit der Topografie. Schon am Marienplatz entsteht so, im Gegensatz zur heutigen Situation, ein Bezug zum einzigartigen städtischen Grünraum des angrenzenden Paderquellgebietes. Mit der kaskadenartigen Treppenanlage im Servicecenter wird das Thema ebenso zum bestimmenden Gestaltungsthema des Innenraums.
Freiraumplanung
Die Freiräume im Plangebiet unterschieden sich durch teils deutlich unterschiedliche Ausgangssituationen und damit verknüpfte, vielfältige Nutzungsansprüche. Die Neugestaltung der Stadträume nimmt genau darauf Rücksicht und entwickelt die Stärken der jeweiligen Räume weiter.
Der Marienplatz wird abgetreppt und damit die Verknüpfung mit den umgebenden Straßenräumen möglich gemacht. Barrieren werden zurückgebaut und unterschiedliche Aufenthaltsqualitäten geschaffen. Verschiedene Wegebeziehungen über den Platz verweben ihn mit seinem direkten Umfeld. Die freigestellte Marienstatue bildet nach wie vor das Zentrum des Platzes. Der Neubau der Stadtverwaltung ist prominent am Platz positioniert und die Blickbeziehung zum Rathausplatz wird freigehalten. Es entsteht ein lebendiger Stadtplatz als zentraler Treffpunkt in der Stadt. Die Treppenstufen gliedern den Platz. Dadurch entstehen Flächen mit unterschiedlicher Nutzungsqualität: vielfältige Ausblicke über den Platz und in die angrenzenden Stadträume, eine Bühne in der Stadt sowie ruhiger Aufenthalt unter Bäumen, Raum für Feste und Veranstaltungen. Die neue Baumsetzung unterstützt die Sicht- und Wegebeziehungen, sorgt für Schatten und betont die Platzränder. Soweit möglich werden Bestandsbäume erhalten. Darüber hinaus wird Gleditsia triacanthos Inermis gepflanzt, ein Baum, der stressresistent und klimaangepasst ist. Das durchlaufende Oberflächenmaterial unterstützt die Wirkung, dass der Platz mit der umgebenden Stadtstruktur verwoben wird.
Auf dem Abdinghof wird mit der neuen Treppenanlage ein stärkerer Bezug von Unten und Oben hergestellt. Der nutzbare Raum und die Nutzungsvielfalt werden dadurch vergrößert sowie die Zugänglichkeit von Stadtmuseum, Stadtverwaltung und Franz-Stock-Platz verbessert. Treppenrampe ermöglicht den barrierefreien Zugang des oberen Niveaus und erleichtert die Bespielung des Franz-Stock-Platzes. Die Treppen sind unterschiedlich ausgerichtet und ermöglichen vielfältige Blicke in das Paderquellgebiet. Die unterschiedlichen Niveaus der Treppe bietet Platz für das kleine Denkmal und für die Werbeflächen des Museums. Am Fuß der Treppe ist Raum für Exponate des Museums. Die große Fläche zwischen Treppe und Straße bietet im Alltag ausreichend Platz für Stellplätze und kann für den Markt und Veranstaltungen frei gehalten werden. Die Straßengestaltung im Norden wird aufgegriffen und bis zum Marienplatz verlängert. Die Durchgängigkeit der Materialität erhöht den Bezug zur Innenstadt.
Der Franz-Stock-Platz wird behutsam auf Grundlage der geschützten Gestaltung restauriert. Die Flächen werden in ihrer heutigen Form erhalten, die Bodenbeläge ausgebessert und das Raster als Leitmotiv stärker herausgearbeitet. Die Bühne wird reaktiviert und zwei Sitzelemente erhöhen die Aufenthaltsqualität des Platzes. In der Sichtachse der Gutenbergstraße wird ein neuer Baum gesetzt, der sich am denkmalgeschützten Bestand orientiert. Die großen Bestandsbäume bleiben erhalten und werden durch zeitgemäße und pflegeleichte Staudenpflanzungen ergänzt. Dabei werden zusätzlich Entfluchtungswege entlang der Fassaden geschaffen.
In der Gutenbergstraße wird ebenfalls sehr behutsam mit dem Bestand umgegangen und der Maßstab der engen Gasse berücksichtigt. Die Einbauten werden entfernt und die Baumpflanzungen in den Hochbeeten durch Staudenpflanzungen ersetzt. Drei neue Sitzelemente an den Hochbeeten ermöglichen Aufenthalt in unmittelbarer Nähe der Geschäfte. Der Pflasterbelag wird ausgebessert.
Erschließung
- Haupteingang zum Marienplatz, Arkade als Puffer zum belebten Platz
- Zweiter Eingang an der Ecke Marienplatz / Abdinghof
- Zugang der Multifunktionsfläche vom Eingang Ecke Marienplatz / Abdinghof
- weiterer Eingang von Abdighof (Straße) möglich (nicht in Plänen dargestellt)
- Zugang Touristeninformation aus dem Servicecenter, oder direkt von Marienplatz
- Zugang Bibliothek aus dem Servicecenter oder vom Abdinghof (Platz),
- abhängig vom Personaleinsatz kann (ggf. temporär) mit einem oder zwei Zugängen gearbeitet werden, Zugang Abdinghof auch für Abendveranstaltungen der Bibliothek
- Öffentliche Toiletten von außen erreichbar von Abdinghof (Straße)
- Öffentliches Fahrradparken aus dem Innenhof (200 Räder, Betrieb ggf. mit Doppelparkern)
- Tiefgaragenzufahrt über Abdinghof (Platz) aus dem Innenhof
- Feuerwehrzufahrt über Abdinghof (Platz) aus dem Innenhof
- Anlieferung über Abdinghof (Platz) aus dem Innenhof
- Zentrale Position der Stadtwache B.O.S.S. am Marienplatz
- barrierefreie Übergänge zu den Bestandsgebäuden der Verwaltung am Abdinghof durch Aufnahme der Geschosshöhen
Im Inneren wird die Barrierefreiheit über drei Aufzüge gewährleistet, die je nach Publikumsintensität geschaltet sind. Die Verbindung der Verwaltungseinheiten zu den dazugehörigen publikumsintensiven Bereichen erfolgt über eine direkte, vertikale Erschließung, d. h. Aufzug in unmittelbarer Nähe (siehe Bibliothek).
Die Fassade des Heising´schen Haus wird entsprechend des bestehenden Denkmalschutzes erhalten. Die dahinter liegenden Flächen werden neu aufgebaut, und orientieren sich in ihrem Höhen am Gebäude Marienplatz 2a, so dass ein barrierefreier Übergang zwischen den Gebäuden entsteht.
Funktionalität
Für uns war die Maßnahme, die Funktion des Einwohneramtes in die obere von drei öffentlichen Ebenen zu legen, für das Funktionieren des Bürgerservices von entscheidender Bedeutung. So gelingt es, den angestrebten Markthallencharakter zu schaffen, mit vielen kleinen Angeboten im Zentrum, und den großflächigen Angeboten in den Randbereichen. Zwischen den beiden Erdgeschossebenen wird mit der großzügigen Kaskadentreppe, über die sich die Funktion des Cafébetriebs erstreckt, ein fließender Übergang geschaffen. Durch dieses raumbestimmende Element, und den großen Luftraum, wird die geringe Geschosshöhe zwischen diesen beiden Ebenen zu einem Vorteil gewendet.
In dem offenen gestalteten, dreigeschossigen Servicecenter können die einzelnen Funktionen flexibel verändert, und den wechselnden Erfordernissen angepasst werden. Hierzu können flexible Stellwände, die Ruhezonen für individuelle Beratung schaffen, eingesetzt werden. Die Multifunktionsfläche kann je nach Bespielung, mal übergangslos in die Cafénutzung über gehen, z. B. bei Ausstellungen, mal über mobile Trennwände abgetrennt werden, bei der Nutzung als Briefwahlamt.
Das Café und die Bibliothek, über die Cafétheke verbunden, sprechen eine breitgefächerte Öffentlichkeit an, die sich auch über einen längeren Zeitraum im Bürgerrathaus aufhalten und entscheidend zur einer lebendigen Atmosphäre beitragen.
Die in der 1. Phase des Wettbewerbs kritisierte Belichtung der Flächen, wird durch den neu eingeführten Lichthof entscheidend verbessert. Dieser gewährleistet gleichzeitig den notwendigen (Grenz-) Abstand zum Nachbarn (Hutladen).
Materialien / Konstruktion
Das Gebäude ist als Stahlbetonskelettbau konsequent in einem flexiblen Konstruktions- und Ausbauraster entwickelt, so dass spätere Umnutzungen problemlos möglich sein werden. Die Fassade wird durch schlanke, mit Naturstein (Kalksandstein) verkleidete Pfeiler gegliedert.
Im Inneren bestimmen helle, robuste und natürliche Materialien das Erscheinungsbild. Die Kaskadentreppe soll partiell mit Holzflächen zum Sitzen verkleidet sein und so den Charakter eines großen, eine freundliche Atmosphäre schaffenden Möbels erhalten.
Projektteam: Ines Schulte, Pavla Briksova, Martina Schlüter, Sebastian Damek, Ismael Hosseini, Stefanie Gaasch, Tim Kossel, Sebastian Koch
Veröffentlichungen: Neue Westfälische Westfalenblatt Radio Hochstift Westfalenblatt Fotostrecke YouTube